Gänsemarkt

Der belebte Gänsemarkt in Hamburgs Innenstadt mit Busanbindung und vielen Fußgängern
© Mediaserver Hamburg / ThisIsJulia Photography

Mitten in Hamburgs Innenstadt, eingerahmt von traditionsreichen Straßen wie der ABC-Straße und den Colonnaden, liegt ein Platz, der viele Gesichter hat – und noch mehr Geschichten: der Gänsemarkt.

Du bist vermutlich schon oft achtlos darüber hinweggeeilt, auf dem Weg zum nächsten Termin oder ins Alsterhaus am Jungfernstieg. Doch dieser Ort verdient es, dass man stehen bleibt. Denn der Gänsemarkt Hamburg ist nicht nur ein historischer Platz mit Opernhaus und Denkmalsfigur. Er ist ein urbaner Organismus, der sich immer wieder neu erfindet – zwischen Denkmalpflege, Shoppingflair, Stadtplanung und Winterzauber.

Wie der Gänsemarkt zu seinem Namen kam

Dieses historische Foto zeigt den Hamburger Gänsemarkt im Jahr 1932 – ein faszinierender Blick zurück in eine fast vergessene Zeit. Die Aufnahme ist in sepia getönt und vermittelt das Gefühl von Geschichte, Ruhe und städtischer Ordnung.

Im Zentrum des Bildes steht das eindrucksvolle Lessing-Denkmal, auf einem massiven Sockel mit mehreren kunstvoll verzierten Stufen und Umrandungen. Die Statue zeigt Gotthold Ephraim Lessing, sitzend und nachdenklich, mit einem Buch in der Hand – ein Symbol der Aufklärung und des freien Denkens. Umgeben ist das Denkmal von einem kunstvollen gusseisernen Geländer.
Gänsemarkt im Jahr 1932
Heinrich Hamann, Atelier J. Hamann, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Public Domain

Warum Gänsemarkt? Klingt nach Landleben und Bauernhof, oder? Tatsächlich liegt der Ursprung im 17. Jahrhundert. Damals war Hamburg kleiner, enger und durch Mauern geschützt. Direkt außerhalb dieser Stadtgrenze – dort, wo heute Geschäftsleute in Maßanzügen aus der U-Bahn steigen – verkauften Händler Gänse und anderes Federvieh. Ein Wochenmarkt, lebendig und laut, mit viel Gekrächze und noch mehr Verhandlungsgeschick. 1678 wurde der Ort offiziell zum Marktplatz ernannt. Die Gänse sind längst fort, doch der Name blieb. Ein Stadtdenkmal der besonderen Art.

Heute schnattern keine Vögel mehr – stattdessen reden wichtige und mehr oder weniger gut gestylte Berater in Eile ins Smartphone. Aber was wäre ein historischer Ort ohne das Echo seiner Vergangenheit?

Denkmal mit Haltung: Lessing auf Augenhöhe

Wenn Du den Platz betrittst, fällt der Blick sofort auf ihn: Gotthold Ephraim Lessing. Seit 1881 sitzt der Aufklärer in Bronze gegossen auf dem Gänsemarkt, geschaffen vom Bildhauer Fritz Schaper. Er blickt nicht zur Staatsoper, sondern dem Strom der Passanten Richtung Alster entgegen – als wollte er fragen: „Wohin eilt ihr alle?“

Lessing ist mehr als Zierde. Er erinnert daran, dass Hamburgs bürgerliche Kultur einst Pionierarbeit leistete: Bereits 1678 – ironischerweise im Jahr der Gänsemarkt-Erhebung – wurde hier das erste öffentliche Opernhaus Deutschlands eröffnet. Von Bürgern, für Bürger. Heute thront die moderne Staatsoper an derselben Stelle, funktional in den 50ern wiederaufgebaut, aber mit bleibender Bedeutung.

Die Gänsemarktpassage

In den 1980er- und 90er-Jahren war die Gänsemarktpassage das, was man heute wohl als „Retro-Footprint“ der Hamburger Innenstadt bezeichnen würde. Kein architektonisches Meisterwerk, aber ein funktionierendes Stück Alltagskultur. Sie verband den Gänsemarkt mit den Colonnaden – eine überdachte Einkaufspassage, geprägt von Spiegelglas, Rolltreppen und dem typischen Duft frisch ausgepackter Turnschuhe.

Sportgeschäfte, Parfümerien, Cafés – man schlenderte durch den leicht klebrigen Fliesenboden, begleitet vom Gemisch aus Textilweichmachern, Reinigungsmitteln und synthetischem Sneakergeruch. Wer dort war, erinnert sich sofort an das spezifische Aroma zwischen Schuhkartons und Umkleidekabinen.

Doch wie so viele Shoppingpassagen verlor auch diese mit der Zeit an Glanz. Leerstand setzte ein, Investoren verloren das Interesse, die Architektur war weder nostalgisch noch charmant genug, um Denkmalstatus zu beanspruchen. Der Abriss kam 2022/23. Parallel entstand in unmittelbarer Nachbarschaft ein neuer Bau: das neue Deutschlandhaus.

Neues Deutschlandhaus – neue Nachbarn

Heute erhebt sich am einstigen Standort der Passage das neue Deutschlandhaus. Eine moderne Interpretation des ursprünglichen Baus von 1929, dessen klassizistische Wucht mit Sandstein und Rundungen neu inszeniert wurde. Der einstige Zweckbau wurde durch ein gläsernes Ensemble ersetzt, das hochwertige Büroräume, Gastronomie und großzügige Aufenthaltsflächen unter einer 1.200 qm2 großen Palmenhalle bietet.

Prominentester Mieter: Die Hamburger Sparkasse, die hier ihre Zentrale mit ca. 1.700 Mitarbeitenden bezogen hat. Ein Zeichen, wie sich das Quartier wandelt – vom Ort des Einzelhandels zu einem Zentrum für Wirtschaft, Kultur und Kommunikation. Mitten in der Innenstadt, zwischen Tradition und Transformation.

Feinschliff im Hintergrund: Stadtentwicklung mit Fingerspitzengefühl

Vielleicht ist Dir bei Deinem letzten Besuch gar nicht aufgefallen, dass sich der Gänsemarkt in den letzten Jahren irgendwie gepflegter anfühlt. Das liegt nicht nur am frischen Stein und den neuen Fassaden. Hinter den Kulissen hat sich hier etwas getan – leise, aber wirkungsvoll.

Seit einigen Jahren gehört das Quartier Gänsemarkt zu einem sogenannten Business Improvement District. Klingt technisch, bedeutet aber im Kern: Eigentümer und Stadt ziehen gemeinsam an einem Strang, um das Gebiet aufzuwerten. Kein großes Tamtam, sondern gezielte Maßnahmen – von der besseren Möblierung über zusätzliche Reinigung bis hin zu Veranstaltungen, die den Platz wieder mit Leben füllen sollen.

Auch das Lessing-Denkmal wird in diesem Zuge bewusster in die Platzgestaltung eingebunden – als ruhiger Mittelpunkt inmitten des Trubels. Es sind genau diese Details, die den Unterschied machen, ohne sich aufzudrängen. Und die vielleicht dafür sorgen, dass Du beim nächsten Mal doch ein paar Schritte langsamer gehst.

Glühwein am Gänsemarkt

Und dann ist da natürlich noch der Weihnachtsmarkt, der jedes Jahr im November und Dezember den Gänsemarkt verzaubert. Im Vergleich zu den großen Märkten am Rathaus oder Jungfernstieg wirkt er fast intim. Kein Massentourismus, keine Hochglanzbuden – sondern ein besinnlicher, charmant organisierter Markt mit Fokus auf Handwerk, Design und Gastronomie.

Das Bild zeigt einen stimmungsvollen Weihnachtsmarkt am Abend auf dem Hamburger Gänsemarkt. Es ist dunkel, aber der Platz ist festlich erleuchtet von den zahlreichen Lichterketten an den Weihnachtsmarktbuden. Diese kleinen Holzhäuschen sind mit Lebkuchenmotiven dekoriert – Herzen, Tannenbäume, Sterne, Hufeisen und andere winterliche Formen zieren die Wände und Dachgiebel.

In der Mitte des Bildes steht ein großes Schild mit der Aufschrift „Herzlich Willkommen“, das wie ein Torbogen zwischen zwei Buden gespannt ist. Im Hintergrund sieht man die Fassade eines modernen Bürogebäudes mit vielen Fenstern, aus denen warmes Licht scheint. Rechts im Bild ragt ein prachtvoll verziertes, historisches Gebäude mit weißen Fensterrahmen und roten Backsteinwänden empor.
Der Weihnachtsmarkt auf dem Gänsemarkt
© Mediaserver Hamburg / Timo Sommer

Zwischen Mandelduft, heißen Crêpes und Kunsthandwerk entsteht jedes Jahr ein kleines Winterwunderland. Kinder fahren Karussell, Erwachsene wärmen sich an der Feuerschale oder einem guten Glühwein. Der Weihnachtsmarkt am Gänsemarkt hat seine eigene, liebevolle Fangemeinde – viele kommen jedes Jahr wieder. Auch das ist Hamburg: kein Prunk, sondern Herz.

Ein Platz, viele Epochen – und Deine Erinnerung?

Was bleibt? Vielleicht ist der Gänsemarkt genau das, was eine lebendige Stadt ausmacht: Er wechselt das Kostüm, aber nie die Seele. Heute ist er Sitz moderner Firmen, gestern war er eine Shopping-Oase, davor ein Ort der Musik und davor der Federviehhandel der Vorstadt. Wenn Du durch ihn gehst, nimm Dir einen Moment. Schau Lessing in die Augen. Spür den Wind zwischen den neuen Gebäuden. Und frag Dich: Was hast Du hier erlebt?

Und Du?

Wann warst Du das letzte Mal am Gänsemarkt? Teile Deine Erinnerungen, Tipps oder Geschichten in den Kommentaren und werde Teil der Exil-Hamburger-Community!

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